Kolumne

Arbeit und Selbsterfüllung

Macht dir deine Arbeit eigentlich Spaß, oder bist du Plan B gegangen? Die Frage stellte mir neulich ein Bekannter bei einem gemeinsamen Kaffee in Winterhude. „Pan A!“, sagte ich, ohne auch nur darüber nachdenken zu müssen, denn, wenn ich etwas über meinen Job sagen kann, dann doch, dass er zu 100‘% das ist, was ich immer machen wollte. Ganz entgegen der Hoffnungen meiner Eltern, die sich für mich eigentlich eine sichere, solide Beamtenlaufbahn gewünscht haben.

Der Mensch ist zur Freiheit verurteilt. Auch bei der Berufswahl?
Was der Existentialist Jean-Paul Sartre damit meint, ist, dass der Mensch, da er sich seiner Existenz bewusst ist, die Pflicht hat, frei zu wählen, was er mit seinem Leben tun will. Eben weil wir diese Wahl haben, sind wir verpflichtet dazu, uns nach unserem eigenen Bild zu gestalten und sind verantwortlich für das, war wir tun. Bei der Arbeit, wie im ganzen Leben.

Die Frage, ob ich glücklich mit meinem Job bin, ist und war mir persönlich immer ziemlich wichtig und wahrscheinlich ist sie es mittlerweile noch zahlreichen anderen Menschen, weswegen sich manche Jobs nicht mehr so einfach besetzen lassen. Mit der Frage nach einem sinnvollen Job, kommt eben auch die Erkenntnis, dass man manche Dinge nicht tun will.

Wie die Plattform Glassdoor ermittelt hat, wollen Menschen der Generation Z nicht mehr in traditionellen Berufen wie als Anwalt oder technischen Berufen, wie als Ingenieur arbeiten. Gefragt sind hingegen Positionen in der Personalvermittlung, als Marketing Manager oder Social Media Manager, in denen man Einfluss hat und unabhängig, kreativ und digital ist. Nach Möglichkeit lässt man sich die Selbstverwirklichung als Yogalehrerin, digitaler Nomade oder Surflehrer bezahlen, wenn das nicht hinhaut, wird der 40-Stunden-Job auf ein Maß reduziert, dass es uns erlaubt, zumindest in der Freizeit in die eigene Schöpferkraft kommen. Higher Purpose, Transformation, und wie die Buzzwords sonst noch so heißen.

Arbeit ist hier und heute für viele nicht mehr nur Arbeit. Arbeit soll im besten Fall „Selbsterfüllung“ sein. Wir suchen nicht mehr nur nach einer Möglichkeit, Geld zu verdienen, sondern wollen darüber eine Bestätigung unserer Selbst. Wir wollen wertgeschätzt werden, erfahren, dass wir jemand Besonderes sind, mit ganz speziellen Fähigkeiten in dieser überbevölkerten Welt.

Ich bin mir nicht sicher, ob das so sein muss. Es ist natürlich toll, wenn Arbeit einen higher purpose erfüllt und genau das ist, was wir schon immer tun wollten. Damit setzen wir uns gleichzeitig aber enorm unter Druck. Was, wenn ich gar keine höhere Bestimmung habe, mit der ich Geld verdienen kann, wenn es mein Größtes ist, in meiner Freizeit zu lesen, im Garten zu arbeiten, andere Menschen kennenzulernen oder auch nur mit einer Tasse Kaffee im Garten zu sitzen und die Sonne zu genießen? Muss ich diese Tätigkeiten monetarisieren, um glücklich zu sein? Oder sollte ich mir nicht dann einfach einen Beruf suchen, in dem ich das Geld verdiene, mit dem ich mir schöne Zeit und die Dinge leisten kann, die für mich wichtig sind?

Was, wenn ich Arbeit = Geld gegen Zeit mit schönen Dingen nutze, also Plan B wähle, um mir meinen Plan A zu ermöglichen? Bleibt dann am Ende für manche nicht sogar mehr über – sowohl an Zeit als auch an Geld – als wenn wir die Leidenschaft zum Beruf machen? Ist Arbeit nur ein Mittel, Geld zu verdienen, mit einer Sache, die einem so einigermaßen liegt, ohne komplett darin aufzugehen, steht man am Ende damit möglicherweise besser da als der brotlose Künstler, der zwar sein Hobby zum Beruf gemacht hat, davon aber nicht richtig leben kann.

Ich bin meinen Weg gegangen, weil es sich für mich unvorstellbar anfühlt, in einem Büro zu sitzen, und Dinge abzuarbeiten, auf die ich keine Lust habe, während mein Herz so laut für etwas anderes schlägt: dafür, Dinge zulernen, mit anderen Menschen zu sprechen, von ihren Geschichten zu erfahren, diese zu Papier zu bringen und mit der Welt zu teilen. Gleichzeitig freue ich mich über jedes Magazin, das etwas von mir druckt und veröffentlicht, weil es so –seien wir mal ehrlich – in mein Selbstbild einzahlt.

Das macht, wenn’s nach mir geht, aber nicht nur die Arbeit. Ganz im Gegenteil: Alles was wir tun, das Instrument, das wir spielen, die Beziehungen, die wir führen, der Marathon, den wir laufen, die Bücher, über die wir sprechen, zahlt auf das Konto der Identität ein. Am Ende sind wir das, was wir machen. Sei das nun im Beruf oder in der Freizeit. 

So gesehen ist es natürlich zumindest wünschenswert, dass wir nicht 40, 50 Stunden die Woche einer Tätigkeit nachgehen, mit der wir uns so gar nicht identifizieren können. Ein Plan B ist okay, aber bitte kein Plan Z. Ansonsten kann der beste Kaffee der Welt nicht so gut schmecken, dass wir ihn wirklich genießen können.

 

Mach’s trotzdem

Manchmal klappt’s nicht so wie gedacht. Oder auch gar nicht. So wie bei meiner Dissertation. Wieso ich trotzdem dranbleibe, und warum auch du weitermachen solltest, verrate ich hier.

Manchmal klappt’s alles nicht so wie gedacht. Oder auch gar nicht. Ein Beispiel dafür? Meine Dissertation. 2020 habe ich sie angemeldet. Es war gerade Lockdown, ich hatte so unglaublich viel Zeit wie ich es das letzte Mal aus meiner Schulzeit kannte, und zwischen “Ich lerne jetzt Handstand / ein neues Stück auf dem Klavier / gehe die gefühlt 12. Runde mit dem armen Rudi vor die Tür”, sortierte ich meine Schubladen und angestaubten Regalfächer. Unter Arbeitszeugnissen, alten Fotos und, nein, das denke ich mir nicht aus: es gibt Ex-Freunde, die mir Liebesbriefe geschrieben haben –fand ich meinen Masterabschluss. Lehramt Gymnasium, Französisch und Philosophie.
Wie das manchmal so ist, wenn man auf etwas Altes stößt, mit dem man mal sehr verbunden war, kamen bei mir direkt de Gefühle der ersten Verliebtheitsphase von früher hoch. Nicht die, aus den Zeiten, in denen ich die Liebesbriefe bekommen hatte, nein, sondern die aus dem Studium. Warum hatte ich eigentlich aufgehört, Werke von Sartre, Aristoteles oder Frankfurt zu lesen? Wann hatte ich aufgehört, mir darüber Gedanken zu machen, ob man Süchtige von ihrer Sucht befreien sollte oder sie das in ihrer Freiheit beschränkt, ob Peepshows gegen die Menschenwürde verstoßen und ob man mehr davon hat, im Leben nach Spaß oder Erkenntnis zu suchen? Mein Eifer war geweckt und so schrieb ich ein Exposé zum Thema “Liebe & Identität”, bewarb mich damit an der Uni Hamburg und wurde angenommen. Tja, und das war’s dann.

Danach war durchweg der Wurm drin. Erst hatte meine Doktormutter Corona, sodass all unsere Treffen in deprimierender Regelmäßigkeit wieder abgesagt wurden. Überhaupt verlief der Kontakt mehr als schleppend. Mehr 1,5 Jahre schrieb ich im Lockdown, ohne ein richtiges Feedback zu bekommen. Auf die Abgabe der mehr oder weniger fertigen Arbeit im Herbst 2022 reagierte meine Doktormutter dann gar nicht mehr. “Ghosting” vom Feinsten, möchte man meinen, da weder die Philosophische Fakultät, die ich nach dem Verbleib von Frau Prof. Dr. “Ich möchte hier keine Namen nennen” fragte, noch das Prüfungsbüro, irgendeine Auskunft geben konnte. Sehr unprofessionell, Frau Professor, und nein, bevor jetzt wilde Theorien losgehen: sie lebt noch und ist wohlauf, wurde aber seit der Pandemie nur noch sporadisch an der Uni Hamburg gesehen und auch andere Doktorand:innen, die von ihr betreut werden sollten, sind mittlerweile abgesprungen, weil sämtliche Kontaktversuche scheiterten.

Zugegeben war ich kurz davor, das Handtuch zu schmeißen. Bis mich meine Freundin Lisa fragte, wie es mit der Dissertation laufe.
Während ich so davon erzählte, wieso ich mich damals überhaupt dazu entschieden hatte, zu promovieren, wurden mir so einige Dinge klar:

Ich will das.
In der Vergangenheit hatte ich – sei es, weil die Nicht-Kommunikation zu meiner Doktormutter die Motivation bremste, sei es, weil ich mitunter auch ganz schön faul sein kann und promovieren, neben einer vollen Selbstständigkeit gar nicht so ohne ist – oft nur an das Ziel gedacht. Die fertige Promotion. Dass ich ursprünglich überhaupt nur angefangen hatte, mich für die Promotion zu bewerben, weil mich das Thema, „Liebe“ und wie sie sich auf die menschliche Identität wirkt, interessiert, rückte dabei nach und nach komplett in den Hintergrund. Ohne ein Warum, ist es aber ganz schön schwer, sich zu motivieren. Ich kenne mein Warum wieder und ich genieße es. Mal mehr (mit Laptop am Strand) mal weniger (morgens um 5 Uhr, bevor der Alltag losgeht). 

Ich mach‘ das.
Ich mach‘ das. Schritt für Schritt und langsamer als gedacht. Je mehr ich darüber mit Lisa gesprochen habe (danke noch mal an dieser Stelle!), desto mehr hatte ich ein Gefühl der Verbindlichkeit, dafür einstehen zu wollen. Und whoop whoop, jetzt habe ich einen neuen Doktorvater an der Uni Erfurt und das Projekt ist voll im Gange. Needless to say, dass ich vor meiner Entscheidung, jetzt alles durchzuziehen nur Absagen von anderen Universitäten bekommen habe. 

Seit ich nun (wieder) dabei bin, wechseln sich Glücksgefühle und „Was mache ich da nur“-Gedanken immer wieder ab. Letztere stören mich aber nicht. Zweifel finde ich völlig okay, solange man sie nicht als Ausrede dafür herhalten lässt, dass man zu bequem ist. Man bricht die Reise in den Urlaub ja auch nicht ab, nur weil man gerade im Stau steht. 

Was ich zu meinm Thema „Liebe & Identität: Warum wir lieben, wie wir lieben“ überlege, verwerfe und schreibe, gibt’s ab sofort regelmäßig hier zu lesen.
xx Nina

LinkedIn: #fempreneur-Bubble oder Realität?

Female Founders, Entrepreneurinnen und CEOs, die einander applaudieren, wenn sie die inspirierenden #empowering Beiträge der anderen lesen – das ist Alltag auf LinkedIn, aber wie sieht es damit im wahren Leben aus?

Darüber musste ich letzte Woche nachdenken, als ich mit dem Entrepreneur & Enterprise der Bethmann Bank und einer ganzen Truppe Power-Frauen beim UEFA Cup der FC Bayern München-Damen zuschaute.

Das Spiel war großartig und – jetzt kommt’s – „für ein Frauen-Spiel“ auch recht gut besucht. Was so viel heißt, dass die Hälfte des Stadions leer und statt der sonst 80 Hostessen, die für ein Spiel der Münchener Herren üblich sind, 18 Hostessen umherschwirrten. Die Sichtbarkeit von Karrierefrauen wie den Unternehmerinnen, Aufsichtsrätinnen, Managerinnen und Investorinnen, die an diesem Abend mit mir an einem Tisch saßen, mag in sozialen Netzwerken – allen voran auf LinkedIn –bereits hoch zu sein. Im wahren Leben scheint die Relevanz der weiblichen Nischenthemen jedoch noch nicht ganz angekommen zu sein. 

Dazu passten auch die Diskussionen an unserem Tisch: dort ging es um den Anteil der Gründerinnen in Deutschland, der vom Deutschen Start-up-Verband gerade einmal auf 15,7% geschätzt wird (und, so die Bankerinnen an meinem Tisch, oft auch noch niedriger ausfällt als die Kredite an männliche Gründer), um Frauenquoten und Gehälter. Ein Gap zwischen Social Media Bubble und Realität? Zumindest teilweise.

Was hingegen ganz zu der, in den sozialen Netzwerken gelebten, Female Power passte, war das freundliche Miteinander, die Solidarität und jeweilige Unterstützung, auf dem Spielfeld wie auf der Tribüne: hier waren alle munter mit Networking beschäftigt, es wurden fleißig Nummern und LinkedIn-Profile getauscht und ich freue mich auch jetzt noch über all die inspirierenden Frauen, die ich letzten Mittwoch kennenlernen durfte!

Mit einer CEO sprach ich auch über die Relevanz sozialer Netzwerke (immer häufiger bekomme ich Anfragen von Unternehmen für Ghostwriting für LinkedIn-Profile, weil man sich so mehr Aufmerksamkeit für die Brand erhofft oder am Personal Branding arbeiten möchte.
Ihr Urteil: „Bei uns ist LinkedIn der wichtigste Werbekanal.“

Womit für mich die Bedeutung der LinkedIn-Frauenbewegung in einem einzigen Satz abschließend geklärt ist: sie schafft Öffentlichkeit für das offenbar existierende Bedürfnis von Frauen, Karriere zu machen, eine Rolle in der Gründerszene zu spielen, sich beruflich zu definieren. Wenn einer Lea-Sophie Cramer oder einer Tina Müller jeweils rund 200.000 LinkedIn-Nutzerinnen folgen, heißt das, dass eine ganze Menge Frauen wissen will, wie man es zu beruflichem Erfolg schafft.

Mag sein, dass das, was im Digitalen, in sozialen Netzwerken stattfindet, nicht jede Branche betrifft und für manche Berufsfelder überhaupt keine Rolle spielt. Als bedeutender Werbekanal sind digitale Netzwerke aber gleichzeitig immer auch eine Art Bühne der Welt; mit unserem Interesse an #femalefounders, #entrepreneurinnen und #femaleempowerment zeigen wir der Welt da draußen, dass eben diese Werte eine Rolle für uns und unser Leben spielen. Digital wie analog. Wenn Inhalte in sozialen Netzwerken und Suchmaschinen sichtbar werden, sagt das eine Menge über die Gesellschaft als Ganzes aus. Wir können mit unseren #femalefoudner und #girlboss-Hashtags sicher nicht die Welt verändern. Was wir aber können, ist, zu zeigen, dass wir für einen Wandel sind! Wir können LinkedIn und Co als UEFA-Tribüne der virtuellen Welt nutzen und im wahren Leben nachziehen, indem wir mit anderen Frauen sympathisieren, uns mit ihnen solidarisieren und unsere Bedürfnisse sichtbarer machen. #trending

Das Leben ist sooo bunt!

Das stand 2013 unter meinem ersten Versuch, einen Blog zu führen und ja, ich weiß immer noch ganz genau, was ich damals gemeint habe. Dass ich das Leben, die Begegnungen, die Welt, auch nach über 30 Jahren immer noch so erstaunlich, so faszinierend finde, dass ich gar nicht anders kann, als mich daran zu erfreuen und darüber nachzudenken, am liebsten mit Stift und Papier.